Gastbeitrag unseres Partners Dr. Thorsten Giesa, Senior Partner @ Advyce & Company
Inhalt:
Auch wenn digitale Lösungen, Subskriptionsmodelle und beratende Tätigkeiten immer mehr Einzug halten – Ersatz- und Verschleißteile sind nach wie vor das „Brot- und Butter“-Geschäft der meisten Maschinen- und Anlagenbauer im Service und After Sales Bereich.
Der aktuelle Global Parts & Service Report unseres Partners MARKT-PILOT zeigt dies anschaulich auf. Ausgehend von einem geschätzten weltweiten Volumen des Ersatzteilmarktes von 850 Milliarden US-Dollar in 2023 wird dieses bis zum Jahr 2031 prognostiziert auf 1,2 Billionen US-Doller anwachsen – dies entspricht einem CAGR von 4,4%. Vergleicht man dies mit der historischen bzw. prognostizierten weltweiten durchschnittlichen Inflationsrate[1] in Höhe von rund 3,7% bis 2031, heisst dies, dass die Bedeutung des Ersatzteilgeschäfts auch bis dahin mindestens konstant bleibt.
War der Markt vor einigen Jahren noch durch fehlende (Preis-)Transparenz geprägt, können die Kunden heute deutlich einfacher Preise und auch Anbieter vergleichen. Darauf müssen die OEMs reagieren – das Ersatzteilgeschäft ist kein reaktiver Selbstläufer mehr und im Service ist nicht mehr nur technische, sondern auch proaktive vertriebliche Kompetenz gefragt. Unternehmen müssen systematisch anhand der installierten Maschinenbasis beim Kunden ermitteln, welche Potenziale im Teilebereich vorhanden sind und welcher Anteil davon aktuell bedient wird. Ergeben sich Lücken, sind diese genau zu analysieren: welche Teile kauft der Kunde nicht bei uns ein und warum – liegt es an der Einfachheit der Bestellung, fehlenden Informationen, fehlender Beratung, der Lieferfähigkeit, der Qualität oder dem Preis? Mit welchen Maßnahmen kann ich darauf reagieren?
Preisfallen bei standardisierten Ersatzteilen vermeiden
Insbesondere bei einfach vergleichbaren Kaufteilen besteht schnell die Gefahr, über herkömmliche Cost-Plus Zuschlagssätze sich aus dem Markt zu preisen. Handelt es sich dabei noch um „Leuchtturm-Teile“, also Teile mit hoher Stückzahl und hohem Umsatzanteil, kann bei falscher Bepreisung das komplette Preisimage einer Firma im Service leiden und zu Kundenabwanderungen führen. Somit sollten OEMs die Möglichkeiten für systematische Marktvergleiche nutzen, um sowohl potenziell zu teuer, als auch zu günstig angebotene Teile zu identifizieren.
Auch die Vermarktung der eigengefertigten Teile sollte regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden – Graumarkt-Anbieter erweitern fortlaufend ihr Portfolio, wodurch die eigene Marktposition sich bei diesen Teilen schnell verändern kann. Hier sollten bei der Bepreisung ebenfalls nicht nur Cost-Plus Ansätze genutzt, sondern soweit wie möglich aus Kundensicht agiert werden. Für definierte Teilegruppen bietet es sich beispielsweise an, technische Parameter der Teile wie Material, Härte, Oberfläche, Größe, Leistung etc. für die Bepreisung heranzuziehen. Die Idee dieser Preismethode ist, ähnliche Ersatzteile in ihre Komponenten zu zerlegen bzw. Cluster nach technischen Merkmalen zu bilden, die dann einzeln preislich bewertet werden. Der Gesamtpreis für das konkrete Ersatzteil ergibt sich dann aus der Preissumme der enthaltenen Komponenten. Dies führt zu einem schlüssigen Pricing, welches für den Kunden meist nachvollziehbar und akzeptierbar ist.
Für ausgewählte Teile kann auch der Wert bzw. Nutzen für den Kunden abgeleitet werden, z.B. basierend auf den Ausfallkosten oder der Verlängerung der Lebensdauer – dies gestaltet sich in der Praxis aber meist komplex und ist auch nicht für alle Teilekategorien sinnvoll möglich. Vielmehr sollten dem Kunden Mehrwerte auf Basis von Lieferzeit-Versprechen, Garantien auf den Einbau (bei Nutzung des OEM-Service), ergänzende Dienstleistungen (ET-Identifikation) etc. vermittelt werden. Somit gilt es für Unternehmen erneut, nicht nur aus technischer Perspektive im Service zu agieren, sondern auch eine vertriebliche Brille aufzusetzen.
Das Fazit lässt sich in zwei Binsenweisheiten zusammenfassen: Die Konkurrenz schläft nicht und am Ende entscheidet der Kunde. Für die OEMs bedeutet dies, dass strategische Entscheidungen im Service und After Sales state-of-the-art und kundenzentriert ausgerichtet werden müssen, um die eigene Position und Marktanteile zu halten bzw. auszubauen!
[1] Inflationsrate basierend auf Daten der World Economic Outlook Database, April 2025